Wir haben uns daran gewöhnt, dass die Dienste und Services, die wir im Internet jeden Tag benutzen, aus privater Hand stammen. Doch zunehmend wird uns auch die politische Tragweite bewusst, die diese neue Form der Öffentlichkeit im Digitalen spielt. Eine der ersten und wichtigsten netzpolitischen Forderungen in diese Richtung ist deswegen die Netzneutralität. Doch es wird zunehmend klar, dass es mit der Netzneutralität selbst nicht getan ist, wenn die Dienste, die auf dem Netz aufsetzen, Inhalte und Menschen nach belieben diskriminieren können.
Googles neues “Search inside your World”, der Fall um Megaupload, das fehlende Geschäftsmodell von Twitter und die Bedenken um die Meinungsfreiheit auf Facebook offenbaren allesamt bei genauerem Hinsehen ein Spannungsverhältnis zwischen dem ehrlichen Anspruch eine neutrale Infrastruktur zu gewährleisten und gleichzeitig aus wirtschaftlichen oder gar politischen Erwägungen, Kontrolle über die Plattform zu behalten.
Dieses Spannungsverhältnis ist keinesfalls trivial und vor allem nicht statisch. Der Markt der Plattformen ist einer der disruptivsten und volatilsten, die es derzeit gibt. Auf großen Plattformen können neue Plattformen entstehen, wie das Beispiel Zynga zeigt. Und was heute Markbeherrschend ist, kann morgen nur noch eine Fußnote sein – siehe Myspace.
Eine Politik der Plattformneutralität darf deswegen keine starre Regulierungsrichtlinie sein, sondern muss sich als Agent eines entstehenden und sich stetig wandelnden Ökosystems verstehen. Die Prinzipien zur Entwicklung komplexer Regelungssysteme geben viel eher Hinweise auf die Ausgestaltung dieser neuen Form von Politik, als es dogmatische Links-Rechts-Schemata vermögen. Plattformneutralität ist die Politik emergenter Strukturen und ist damit vielleicht die Blaupause der Organisation der nächsten Gesellschaft.